Reden wir über die Klitoris. Nicht als Nachgedanke, nicht als „Bonus“ im Sexualkundeunterricht, sondern als das kraftvolle, komplexe Organ, das sie tatsächlich ist. Obwohl die Klitoris das einzige menschliche Organ ist, das speziell für Lust geschaffen wurde, wird sie in vielen Gesprächen über Sexualität noch immer missverstanden, übersehen – oder komplett ignoriert.
Um dieses Narrativ neu auszubalancieren, kommen hier fünf Dinge, die du über die Klitoris vielleicht noch nicht wusstest. Betrachte es als kleinen, aber bedeutsamen Schritt hin zu einer aufgeklärteren, respektvolleren und lustbewussteren Gesellschaft. Denn je besser wir unseren Körper – oder den unseres Partners – verstehen, desto mehr können wir genießen.
1. Die Klitoris ist mehr als nur das sichtbare „Knöpfchen“
Was wir üblicherweise als Klitoris bezeichnen – das kleine Knötchen oberhalb der Vulva – ist nur die Spitze des Eisbergs. Anatomisch gesehen ist die Klitoris ein viel größeres Organ mit inneren Strukturen, darunter zwei Corpora Cavernosa (Schwellkörper) und zwei Crura (Beine), die entlang der Beckenknochen verlaufen.
Das gesamte Organ ist etwa 9–11 cm lang und umgibt sowie beeinflusst andere genitale Strukturen auf eine Weise, die wir erst langsam vollständig zu verstehen beginnen.
Weniger lustiger Fakt: Die innere Struktur der Klitoris wurde erst 2005 vollständig kartiert. Das ist noch gar nicht so lange her... Wir haben also noch einiges nachzuholen.
2. Sie enthält über 8.000 Nervenenden
Mehr als jeder andere Teil des menschlichen Körpers – einschließlich Fingerspitzen, Zunge oder Penis. Diese Nerven konzentrieren sich auf die Glans (den sichtbaren Teil), sind aber mit einem komplexen Nervennetzwerk im gesamten Beckenbereich verbunden.
Deshalb ist die Klitoris extrem empfindlich – für manche kann direkte Stimulation zu intensiv sein, für andere ist sie essenziell für einen Orgasmus. Beides ist völlig normal.
3. Die Klitoris braucht keine Penetration, um stimuliert zu werden
Da der Großteil der Klitoris außerhalb des Vaginalkanals liegt, ist eine innere Penetration für klitorales Lustempfinden nicht notwendig – obwohl für manche eine indirekte Stimulation durch die Vaginalwände das Erlebnis intensivieren kann.
Deshalb ist der Mythos, dass „vaginale Orgasmen“ von „klitoralen Orgasmen“ getrennt seien, überholt. Die meisten Orgasmen beinhalten in irgendeiner Form die Stimulation der Klitoris.
4. Die Klitoris schwillt an und verändert sich bei Erregung
Wie der Penis wird die Klitoris bei sexueller Erregung erregt. Die Durchblutung steigt, das Gewebe schwillt an und das Organ kann bis zu 300 % seiner normalen Größe erreichen. Diese physiologischen Veränderungen gehören zur natürlichen Erregungsreaktion des Körpers und machen die Region zusätzlich berührungsempfindlich.
Nach einem Orgasmus kann die Klitoris vorübergehend überempfindlich werden – deshalb braucht sie manchmal eine Pause. Das ist völlig normal und kein Grund zur Sorge.
Fun Fact: Penis und Klitoris entstehen aus demselben Gewebe in den frühen Stadien der Embryonalentwicklung. Dieses Gewebe, das sogenannte genitale Tuberkel, ist zunächst bei allen Föten gleich. Etwa in der neunten Schwangerschaftswoche führt der Hormonhaushalt zur Entwicklung entweder eines Penis oder einer Klitoris.
5. Unser Wissen über die Klitoris hinkt noch hinterher
Trotz ihrer Bedeutung wurde die Klitoris in der medizinischen Forschung und der öffentlichen Bildung lange vernachlässigt. In vielen Anatomiebüchern fehlt sie komplett, und selbst 3D-Modelle waren bis vor Kurzem kaum verfügbar.
Doch es bewegt sich etwas. Ein besseres anatomisches Verständnis führt zu inklusiverer Sexualaufklärung, differenzierter Forschung zu Lust und Schmerz und (endlich) zu einem präziseren öffentlichen Diskurs über Vulven und sexuelle Gesundheit.
Warum wir finden, dass das wichtig ist
Wenn wir es normal machen, über die Klitoris zu sprechen – sachlich, respektvoll und ohne Scham – tragen wir dazu bei, das weit verbreitete Stigma rund um sexuelle Gesundheit abzubauen. Ob du deinen eigenen Körper besser kennenlernen willst, deinen Partner unterstützt oder nachholst, was dir in der Schule nicht vermittelt wurde – dieses Wissen schafft Raum für gesündere, gerechtere Erfahrungen von Lust.
Keine Tabus, keine Umschreibungen – nur Anatomie, Wissenschaft und Neugier. 💙